OFER GADI STOLAROV
Musiker, Pianist und Musiklehrer
BILDER KONZERT

Miroirs
I. Oiseaux tristes - Traurige Vögel
Das Stück ist ein überaus dunkles Werk, jedoch werden die melancholischen Töne durch helle, perlend zu spielende Melodien durchgehend verziert.

Miroirs
II. Une barque sur l’océan
In diesem vergleichsweise anspruchsvollen Stück wird Ravels Wunsch, Bilder in Musik zu übertragen (Impressionismus), am deutlichsten. Das gesamte Stück wird, wie Ravel schrieb, „vom Pedal eingehüllt“ gespielt. Die Figuren der linken Hand bezwecken anfangs einen vollen Klang. Im weiteren Verlauf verteilt sich die Melodie auf beide Hände.

Miroirs
III. Alborada del gracioso
Das Werk ist das sowohl technisch als auch musikalisch anspruchsvollste Stück. Es wechseln sich beißend dissonante, kurz zu spielende und perlende Motive ab. Durch das Werk ziehen sich abwechselnd düstere und helle laute Partien, in denen die Hauptthemen immer wieder aufgegriffen werden. Der hohe Anspruch des Stückes an den Pianisten ergibt sich aus der Tonrepetitio, einer musikalisch schwer zu verarbeitenden mehrstimmigen Passage zum Ende des Stückes, sowie einer Vielzahl von weiteren technischen Finessen. Der Titel Alborada del gracioso bedeutet wörtlich „Morgenständchen eines Narren“.

Bilder einer Ausstellung
Promenade
Die Promenade bildet das verbindende Element zwischen den einzelnen Sätzen von Mussorgskys Bilder einer Ausstellung. Sie stellt den Komponisten selbst dar, wie er durch die Ausstellung geht und von Bild zu Bild wandert. Der markante, schreitende Rhythmus und die wechselnden Taktarten vermitteln den Eindruck eines natürlichen, nachdenklichen Spaziergangs. Das Thema kehrt in verschiedenen Variationen immer wieder – mal feierlich und kraftvoll, mal ruhig und nach innen gewendet. Diese Veränderungen spiegeln die emotionale Reaktion des Betrachters auf die jeweiligen Bilder wider. Die Promenade ist mehr als nur ein Übergang: Sie ist ein musikalisches Selbstporträt. Sie macht den inneren Dialog des Künstlers hörbar und lädt die Zuhörenden ein, diesen Weg mitzugehen.

Bilder einer Ausstellung
1. Gnomus (Der Gnom)
Ein grotesker, verzerrter Gnom mit krummen Beinen taumelt unberechenbar durch die Szene. Mussorgsky zeichnet ihn mit abrupten Rhythmuswechseln, schroffen Akzenten und plötzlichen Pausen. Die Musik wirkt verstörend und zugleich faszinierend, als würde ein belebtes Spielzeug zum Leben erwachen. Man hört das Tapsen, das Stolpern, das Knarren seiner hölzernen Glieder. Der Gnom ist nicht nur unheimlich, sondern auch eine Karikatur – voller düsterer Ironie. Hier verschmelzen Fantasie, Albtraum und kindliches Staunen. Ein kurzer, aber eindrucksvoller Auftakt in die Bilderwelt.

Bilder einer Ausstellung
2. Il Vecchio Castello (Das alte Schloss)
Ein einsamer Troubadour singt vor den Mauern eines verfallenen Schlosses – getragen von einer melancholischen Melodie, die das Saxophon (in der Orchestrierung) intoniert. Die Musik atmet Stille und Sehnsucht, als würde die Vergangenheit durch Nebel sprechen. Der gleichmäßige Rhythmus erinnert an ein Wiegenlied vergangener Zeiten. Mussorgsky malt ein Bild von Würde im Verfall, von Schönheit in der Einsamkeit. Jeder Ton scheint durch Jahrhunderte zu hallen. Die Szene ist ruhig, fast erstarrt – und doch voller Gefühl. Eine lyrische Meditation über Vergänglichkeit.

Bilder einer Ausstellung
3. Tuileries (Streit der Kinder nach dem Spiel)
Im Pariser Tuileriengarten spielen Kinder – sie lachen, rufen, zanken sich, und alles geschieht gleichzeitig. Die Musik ist lebendig, voller flinker Motive und überraschender Wendungen. Man spürt das zappelige Hin und Her, den plötzlichen Streit, gefolgt von versöhnendem Lachen. Kurze musikalische Phrasen tanzen wie springende Kinderfüße durch den Raum. Es ist ein flüchtiger, heiterer Moment des Alltags, liebevoll eingefangen. Mussorgsky gelingt es, mit wenigen Mitteln eine Szene voller Leben zu zeichnen. Die Musik endet so schnell, wie ein Kinderspiel verfliegt.

Bilder einer Ausstellung
4. Bydło (Der Ochsenkarren)
Ein schwerer, holpriger Ochsenkarren rollt langsam über einen schlammigen Weg – man spürt buchstäblich das Gewicht. Die Musik beginnt tief und kraftvoll, als käme das Gefährt aus der Ferne, und wächst allmählich an. Die gleichmäßigen Rhythmen wirken wie das langsame Stampfen der Tiere. Es ist eine düstere, fast archaische Szene, getragen von erdiger Kraft. Kein romantischer Bauernidyll – sondern Realität mit all ihrer Mühsal. Nachdem der Wagen vorbeigezogen ist, verklingt der Klang langsam im Nichts. Mussorgsky verwandelt pure Masse in Klang.

Bilder einer Ausstellung
5. Ballett der unausgeschlüpften Küken
Diese Miniatur ist verspielt, schräg und voller Witz. Inspiriert von einem Bühnenkostümentwurf zeigt sie Küken, die gerade aus dem Ei schlüpfen – tanzend und flatternd in halben Schalen. Die Musik zwitschert, stolpert und springt wie kleine Vögel, die sich ihrer Bewegungen noch nicht sicher sind. Rasche Läufe und hohe Töne lassen die fragile Energie hörbar werden. Es ist eine perfekte musikalische Karikatur: zart, überdreht und voller Charme. Man lächelt, obwohl man nichts sieht – nur hört. Ein Kabinettstück voll musikalischem Humor.

Bilder einer Ausstellung
6. Samuel Goldenberg und Schmuÿle
Zwei Figuren treten in Dialog – oder eher: in Kontrast. Der reiche Jude, Samuel Goldenberg, spricht mit würdevoller, schwerer Stimme; der arme Schmuÿle quasselt nervös und drängend dazwischen. Mussorgsky stellt Reichtum und Armut nicht moralisch gegeneinander, sondern charakterlich: kraftvoll versus zerbrechlich, beherrscht gegen hastig. Immer wieder überlagern sich ihre Stimmen – ein musikalisches Streitgespräch. Das Stück ist tief geprägt vom jüdischen Kolorit, aber ohne Kitsch oder Klischee. Stattdessen: eine feinsinnige Studie in Gegensätzen. Zwei Leben, zwei Schicksale – in wenigen Takten erfasst.

Bilder einer Ausstellung
7. Limoges – Der Marktplatz
Hier herrscht geschäftiges Treiben – eine französische Marktszene voller Stimmen, Lachen und wildem Durcheinander. Die Musik ist sprunghaft, quirlig und voller Energie. Mussorgsky komponiert wie ein impressionistischer Maler mit Geräuschfarben: nichts wird genau gezeigt, aber alles ist fühlbar. Die Stimmung ist heiter, nervös und leicht überdreht – wie bei einem vollen Wochenmarkt. Unter der Oberfläche scheint aber auch ein Hauch von Chaos zu lauern. Manche Deutungen hören sogar einen Streit zwischen den Marktfrauen heraus. In jedem Fall: ein Klanggemälde voller Bewegung.

Bilder einer Ausstellung
8. Catacombae (Die Katakomben)
Dunkelheit. Stille. Und dann: ein Nachhall vergangener Leben in den Tiefen römischer Katakomben. Mussorgsky malt hier kein Bild, sondern einen Raum – kalt, feucht, beklemmend. Das Thema erklingt wie ein Choral, als würde das Gemäuer selbst sprechen. In der Untersektion „Cum mortuis in lingua mortua“ (Mit den Toten in toter Sprache) wird das Promenaden-Thema verlangsamt und wie aus dem Jenseits wiedergegeben. Es ist ein stilles, ehrfürchtiges Gedenken. Die Musik wird zur Andacht.

Bilder einer Ausstellung
9. Die Hütte der Baba-Jaga (auf Hühnerbeinen)
Die wilde Hexe Baba-Jaga lebt in einer Hütte auf Hühnerbeinen – und genau so klingt dieses Stück: furchteinflößend, fliegend, unberechenbar. Die Musik rast mit wilder Energie dahin, als ob die Hütte durch finstere Wälder jage. Dissonanzen, Läufe und rhythmische Attacken beschreiben den Schrecken, den die slawische Sagengestalt verbreitet. Doch im Mittelteil zeigt sich kurz ein gespenstisches Innehalten – wie ein Schatten, der über den Boden huscht. Dann geht die Jagd weiter, rasend und ohne Halt. Ein brillanter Vorlauf zum großen Finale.

Bilder einer Ausstellung
10. Das große Tor von Kiew
Majestätisch erhebt sich das große Tor – ein Monument aus Klang, inspiriert von einem nie gebauten Architekturentwurf. Die Musik ist ein festliches Finale, voller Kraft, Weite und sakraler Würde. Glocken läuten, das Promenaden-Thema erscheint triumphal und wird immer wieder neu variiert. Es ist nicht nur ein architektonisches Bild, sondern auch ein Symbol für Hoffnung, Zukunft und Größe. Die Musik endet in strahlender Erhabenheit – nicht laut, sondern getragen von tiefer Überzeugung. Ein würdiger Schlussstein für diese einzigartige Klanggalerie.
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